nachdenklich

Wenn ich heute meine Bloglektüre ansehe, dann frage ich mich, ob sich irgendwas, irgendwas, das „in der Luft liegt“, in den Sternen steht, oder sonstwo, sich den Weg zu mir bahnt und ich das wahrnehme, dem mit meinem Sein ein Kleid gebe. Ob es so etwas gibt, wie eine Tagesseele, die gelebt sein möchte. Als ob der Tag ein Wesen wäre mit Gefühlen und als solcher einen Ausdruck finden möchte, Seelen sucht, die ihn leben.

Warum ich darauf komme? Weil ich in verschiedenen Blogs Dinge las, Gefühle und Erlebnisse, die von der Klangfarbe und dem, was draus gelernt wurde, genau, auch zeitgleich, in meine Tage passen. Das ist nicht immer so. Aber manchmal schon. Sehr deutlich. Erschreckend deutlich.

 

In den letzten Tagen frage ich mich, ob ich mich schützen kann. Ob ich das soll, oder ob es Menschen geben muss, die sich nicht schützen. Die solche Dinge tragen. Stellvertretend, vielleicht.

 

Diese Gedanken sind sehr vage. Sind leise, unhörbare, unsichtbare, hauchdünne Schleier einer grossen Weite, die sich um mich bemerkbar macht. Und bessere Worte finde ich dafür nicht.

Sehnsucht

Seit ich denken kann, begleitet mich Sehnsucht. Sehnsucht, die mich als Kind überkam, wenn ich in den blaurosa gefärbten Herbstabendhimmel sah, oder in den dunklen Sternenhimmel. Sehnsucht, wenn ich Berge sehe. Sehnsucht, wenn Streit ist und ich Frieden möchte. Sehnsucht, wenn es schwer wird und ich das Leichte zurück haben möchte. Sehnsucht nach Sonne im Nebel.

Manchmal machte ich diese Sehnsucht fest und gab ihr einen Namen. Den Namen eines Menschen. Den Namen eines Ortes. Den Namen eines „so müsste es doch sein“ oder „oh, könnte ich doch“. Nicht immer war diese Zuordnung, diese Erklärung korrekt.

Es gibt eine Sehnsucht, die richtet sich zum Himmel, wenn er fern scheint. Sie richtet sich nach einem umfassenden Wohlsein, wie man es in seltenen Augenblicken erlebt. Sie richtet sich auf etwas Unnennbares. Auf etwas Grosses, das man nur ahnt. Man darf sie nicht festmachen und ihr einen Namen geben.

Ich habe angefangen, jene Sehnsucht willkommen zu heissen. Als Botin meiner Seele. Als lebendiges Zeichen meines Herzens. Als Wegweiserin, die mich sanft und beharrlich an die Hand nimmt und mich in neues Land führt. Ich habe angefangen, ihr leises Ziehen nicht als Schmerz zu betrachten, sondern als Kostbarkeit. Als feines Klingen aus einer anderen Welt.

Ist Selbstliebe dasselbe wie Egoismus?

Ich möchte euch ein wenig von dem Weg erzählen, der mich zu dieser Entscheidung brachte. Von der stillen inneren Revolution, die ich erst jetzt im Nachhinein ganz klar sehe. Leise und langsam wuchs dieses Neue.

Selbstliebe war ein erstes Stichwort, das mir begegnete. Ich mich selbst lieben lernen? Erst einmal empfand ich so etwas wie Abscheu und eine Furcht, dann nur noch um mich selbst zu kreisen. Was für eine schreckliche Vorstellung.
Aber jemand liess nicht locker. Das Thema kam von verschiedenen Seiten auf mich zu und wenn das geschieht, weiss ich, dass es wichtig ist. Ich las, was mir vor die Augen kam, beherzigte, was mir meine Freunde sagten und begann, mich mit dem Thema zu befassen. Und wie das Leben so schön spielt, gab es einen Anlass zur praktischen Umsetzung.

Eines Morgens konnte ich kaum mehr aus der Badewanne kraxeln, der Rücken tat mir von Null auf Hundert so weh. Eine goldene Gelegenheit, für mich selbst zu sorgen. Ein Freund hatte mir immer wieder gezeigt, wie das gehen könnte: für mich selbst sorgen. Von ihm ermutigt, machte ich einen Termin beim Chiropraktor. Volltreffer. Ich fühlte mich vom Arzt sehr ernstgenommen und die Behandlung war eine Wohltat. Er riet mir, mich leicht zu bewegen: „Machen sie einen Spaziergang heute Nachmittag.“ Was ich tat.
Auf diesem Spaziergang dachte ich über die Behandlung nach und wie gut sie mir tat, wie gut mir das Spazieren tat, und ich begriff, dass ich mich gerade selbst beschenkt hatte. Da war auf einmal eine Freude in mir und Liebe. Ich betrachtete diesen Menschen (mich selbst), der da vorsichtig sich bewegte und lernte und fragte und wuchs mit Liebe.
Es war nicht das erste Mal, dass ich es gut fand, dass es mich gibt. Diesmal aber war es anders. Das Gute kam von mir selbst und löste genauso ein gutes Gefühl aus, wie wenn mir jemand anderer gut getan hätte. Ich freute mich darüber, dass ich es geschafft hatte, mich selbst zu beschenken und mir ging ein Satz durch den Kopf:

Man kann sich Dinge aus Trotz oder aus Liebe gönnen.

Danach wagte ich auch im Alltag, mir zu überlegen, wie ich mir selbst guttun könnte. Wer, wenn nicht ich, ist verantwortlich dafür, dass ich bekomme, was ich nötig habe? An meinem Geburtstag zum Beispiel, beschenkte ich mich mit einem Ausflug auf einen Aussichtspunkt und als hätte der ganze Himmel auf so etwas gewartet, fand ich eine atemberaubend klare Fernsicht, strahlenden, warmen Sonnenschein und tief in mir eine helle Freude. Ein zweites, sehr ermutigendes Erlebnis.

Was ich tief in mir entdeckte, war ein warmes, starkes Gefühl. Eine Liebe, die sich verschenken möchte. Aber ich spürte auf einmal, dass sie mir gilt. Ich konnte mich auf einmal als meine beste Freundin ansehen, mit allen Gefühlen, die dazu gehören. Ich war ehrlich und tief betroffen, wie ich mich bis dahin behandelt hatte. Ich empfand tiefes Mitgefühl für den Schmerz, den mir meine selbst aufgeladenen Lasten und die mangelnde Selbstfürsorge zugefügt hatten. Es war alles andere als Selbstmitleid.

In dieser Richtung suchte ich weiter. Ich versuchte, mir selbst gut zu tun weil ich begriffen hatte, dass ich der einzige Mensch bin, mit dem ich bis an mein Lebensende zusammen bin und dass ich niemandem etwas nütze und auch nicht meiner Bestimmung nachkommen kann, mich nicht verschenken kann, wenn ich mit mir selbst nicht klarkomme, mich nicht mit mir aussöhne, nicht mein bester Freund werde. Alles Binsenwahrheiten, aber es ist ein himmelweiter Unterschied, wenn man das plötzlich mit ganzem Wesen begreift und umsetzt.

Was mich sehr überraschte: Selbstliebe hat nichts, gar nichts mit Egoismus zu tun. Es ist eher sowas wie das Gegenteil. Schuldgefühle,  Selbstvorwürfe, Selbstmitleid sind Egoismus weil sie verhindern, dass ich Verantwortung für mich (und im zweiten Schritt für andere) übernehme und weil ich sie zu diesem Zweck innerlich als Ausrede vorschiebe.
Wirkliche Selbstliebe ist sehr demütig, aber im reinen Sinn des Wortes. Das zu beschreiben, fehlen mir irgendwie die richtigen Worte.

Ich habe diesen Wandel noch nicht ganz erfasst. Ich beobachte und bin berührt und ergriffen über seine Tiefe und seine Auswirkungen. Glück ist plötzlich erreichbar, greifbar nahe, nicht mehr in erster Linie von äusseren Dingen und auch nicht von Gefühlen abhängig. Ich bin ein wenig mehr bei mir selbst angekommen.

Herz oder Kopf

Ich weiss nicht, ob ich es hinkriege, von dem zu erzählen, was in meinem Inneren vorgeht, ohne euch stundenlang mit langfädigen Umstandsberichten zu langweilen. Ich möchte dennoch etwas davon mit euch teilen.

Mich beschäftigt seit langer Zeit die Frage, wie man zwischen Herz und Verstand unterscheidet, wie man herausfindet, welches wessen Stimme ist.

Vor ein paar Tagen traf ich eine Entscheidung, aber nicht mit dem Kopf. Ich traf sie mit dem Herzen und daher hätte ich nicht genau sagen können, wofür ich mich entschieden habe. Das klingt nicht ganz nachvollziehbar und ich hängte meine Entscheidung denn auch per Tagebuch und Verstand an etwas Nachvollziehbarem fest, wusste aber gleichzeitig, dass dies nur ein Aufhänger ist.

Heute nun fand ich fassbare Worte dafür.

Ich habe mich entschieden, das Richtige aus dem richtigen Grund zu tun,
weil ich es so will und nicht, weil es von mir erwartet wird.

Es geht darum, dass ich das tue, was ich in meinem Innersten als das Richtige empfinde. Und zwar egal, was andere denken. Diesen Satz meine ich nicht ignorant.
Ich werde dieser Spur folgen. Ich werde versuchen, meine Entscheidungen nicht so sehr über den Kopf zu treffen, nicht so sehr von Furcht oder Befürchtungen oder Angst und Argumenten geschubst, sondern von Liebe. Ich werde tief in meinem Inneren diese Liebe hören und spüren und leben lernen und ihr helfen zu leuchten. Und wenn ich das tue, dann wird es richtig sein. Egal, wie das äusserlich aussieht. Denn vom Verstand aus gesehen, kann man oft keine richtige Entscheidung treffen. Es gibt auf jedem eingeschlagenen Weg Schmerz oder Glück.

Ich werde an meinem Lebensende nichts so sehr bereuen, als dies: Nicht meinem Herzen, nicht meinem Innersten gefolgt zu sein, sondern getan zu haben, was alle von mir erwarteten, oder irgendwelchen Konventionen gefolgt zu sein, nur weil „man“ es so macht.

Dies so mit ganzem Wesen sehen und begreifen zu dürfen (und begreifen ist ein richtiges Wort weil es mit berühren zu tun hat), ist ein grosses Privileg,  erleichternd und entlastend und legt direkten Zugang zu meiner innersten Freude und diesem Licht frei.
Und immer dann, wenn solcher Zugang freigelegt wird, ist der Weg richtig, egal, was jeder denken mag, egal, was Moral und Tradition sagen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich mein Leben bauchgesteuert oder aus dem emotionalen Moment oder aus egoistischen Wohlfühltendenzen heraus lebe, sondern aus meinem tiefsten Inneren.

Es ist ein Ringen. Es kann brennen und wehtun, den richtigen Weg zu gehen und dennoch weiss man, er ist richtig, dennoch legt er Zugang zum innersten Licht, zu Freude und Liebe frei. Und auf diesem Lichtstrahl kann nun fliessen, was in mir ist, kann Gott herausleuchten und andere anleuchten. Ich muss „nur“ dafür sorgen, dass der Zugang offen bleibt. Ein Gespür dafür entwickeln, was diesen Zugang freilegt und was ihn verstopft. Und das ist nicht so einfach.

Ich kann es sehen, formulieren. Jetzt. Das ist der Anfang dieses Weges, auf dem ich noch viele Male stolpern und fallen werde und blind sein werde, nicht mehr sehen und spüren kann, was ich jetzt sehe. Ich werde diese „Rückfälle“ nicht als Rückschritt, sondern als Weg zu betrachten versuchen. Als Weg zu meinem Innersten.

Vielleicht klingt das alles zu sehr gefühlsbetont, aber das ist es nicht. Es geht nicht um Gefühle. Es geht um etwas anderes. Eine andere Ebene, für die ich nicht Worte finde. Es ist nicht ein: Ach, heute ist mir nicht danach, also tue ich es nicht, sondern es ist ein Wissen, das nicht vom Verstand kommt und ein Fühlen, das nichts mit Emotionen zu tun hat. Eine sehr leise Stimme und dennoch klarer als alles andere. Wenn ich ihr folge, spüre ich tiefe Freude.

Diese Worte sagen nur einen Bruchteil.