Neuanfang

„Ich habe auch viele, zu viele Ideen, was ich in meiner Freizeit machen könnte, aber null Motivation, etwas davon anzupacken.“ Er sagte es mit resigniertem Blick, wie einer der aufgegeben und abgeschlossen hat. Seine Stimme klang müde. Seine Augen blickten erloschen unter geschwollenen, schweren Lidern.

„Du könntest dich sozial engagieren“, schlug sie vor, in der Hoffnung, ihm damit soetwas wie einen Rettungsring zuzuwerfen. „In der Kirche zum Beispiel“, fügte sie hinzu.

„Die Kirche?“ Er schnaubte und warnte sie: „Ich mach jetzt einen faulen Spruch: Jesus ist für mich gestorben.“

Obwohl er seinen Scherz vorher angekündigt hatte, dauerte es ein paar Sekunden, bis sie begriff, dass er das Gegenteil von dem meinte, was der Satz auf den ersten Blick aussagte und dass er sich gleichzeitig mit seinem brillanten Sarkasmus über ehemalige Freunde lustig machte.
„Ja, ich habe meinen Glauben verloren, keine Hoffnung mehr, auch da“, antwortete er auf ihren entsetzten Blick.

Ihre Gedanken überschlugen sich. Wie war er so weit gekommen? Das konnte doch nicht sein! Er hatte doch immer so überzeugt gewirkt. Er war doch derjenige gewesen, der seine Kinder religiöser erziehen wollte – im Nachhinein zumindest.
Er musste in einer schweren Depression stecken. Es war vollkommen logisch, dass er jetzt nichts mit dem Glauben anfangen konnte. Sie wusste genau, wie sich das anfühlte. Man geht in den Sonntagsgottesdienst, singt mit, lächelt, aber jedes der Lieder verhöhnt einen: Wo ist er jetzt, dein Gott? Jetzt, wo es dir am verschissensten geht, wo du kein Licht am Ende des Tunnels siehst, wo schwere Gewichte an deinem Herzen hängen, die dich langsam und unaufhaltsam in den Sumpf ziehen? Jetzt, wo du ihn am nötigsten hättest? Wo ist er, von dem sie sagen, dass er jeden Mangel ausfüllt? Der Allmächtige müsste doch nur mit dem Finger schnipsen, und alles wäre wieder gut, dir wäre wieder leicht ums Herz und du wüsstest genau, wozu du hier bist!
Sie kannte diese bitteren Gedanken genau. Und sie wusste, wie lange es gedauert hatte, aus diesem Sumpf wieder herauszukommen.
Depression ist wirklich etwas, bei dem einem der Glaube nicht weiterhilft. Jedenfalls nicht jener Glaube, der im Stil einer Selbsthilfegruppe oder eines schlauen Selbstverbesserungsbuches einem irgendwelche lapidaren Ratschläge um die Ohren haut. „Du musst nur x und y machen und darüber beten.“
Wenn man in diesem Stadium ist, hat man das alles längst ausprobiert. Genützt hat es nichts. Im Gegenteil hat es alles schlimmer gemacht.
Man fühlt sich als der totale Versager, als Christ zudem von Gott im Stich gelassen, und das tut unglaublich weh. Für alle anderen ist dieser Jesus gestorben, für dich nicht, denkst du. Wann du zum letzten Mal etwas gespürt hast, weisst du nicht mehr, wahrscheinlich hast du eh alles falsch gemacht. Mit raumgreifenden Schritten hat dich das Selbstmitleid eingeholt, mit eisernem Griff umschliesst es dein kalt gewordenes Herz. Jedes Gebet, jeder gutgemeinte Zuspruch verhöhnt dich. Irgendwann resignierst du und kommst zum Schluss, dass es diesen Gott nicht gibt, und weisst nicht, dass du damit Recht hast.

Diesen Gott, wie ihn die bibeltreuen Christen meinen verstanden zu haben, und wie du meinst, ihn aus ihren Schilderungen zu kennen, gibt es wirklich nicht. Er ist ein Gedankenkonstrukt, eine Auslegeordnung an Bibelstellen, sorgfältig miteinander verwoben, einzelne Fäden, die farblich nicht passen, sorgsam herausgezupft und ausgelassen, Fragen und Ungereimtheiten mit einem schnell gesagten „Gottes Gedanken sind höher, als unsere“ abgetan. Wenn du deine Fragen äusserst, wirst du zum Gebetsanliegen, und während sie mit gesenkten Köpfen, vor Anstrengung gerunzelten Stirnen und zusammengekniffenen Augen das tun, was sie beten nennen, schüttelst du innerlich den Kopf und denkst: „Ihr wisst nichts!“
Du fragst dich die ganze Zeit, ob du ein richtiger Christ bist, dir das alles nur eingebildet hast und warum Jesus dein Gebet, du mögest seinen Tod am Kreuz endlich verstehen und er könnte dein Inneres so umkrempeln, wie das ihre, nicht erhört. Er müsste doch ein Interesse daran haben, dass die Bekehrung in deinem Herzen ankommt, mit allem Drum und Dran. Muslimen ist er auch erschienen, warum dir nicht?

„Such weiter“, ermunterte sie ihn, „Es gibt ihn schon.“

„Kennst du ihn denn?“

„Jetzt wird es schwierig“, sagte sie, „Ich weiss es nämlich nicht. Ich denke, wir können Gott, oder wie auch immer du das nennst, nicht erfassen, beschreiben, in Worte runterbrechen. Er ist zu anders, zu umfassend. Er ist alles. Er ist. Und auch das ist irgendwie falsch gesagt. Und auch wieder nicht.“

Er schwieg nachdenklich. „Und Jesus?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiss es nicht“, gab sie zu. Er ist auch alles. Und bei ihm stimmt der Satz ‚Er ist‘, weil er wirklich ein Mensch war, der gelebt hat. Aber ich glaube nicht, dass man glauben muss, er sei für unsere Schuld gestorben, um erlöst zu werden. Ich weiss nicht mal, ob man überhaupt erlöst werden muss.“

„Wie kannst du das so sagen? Woher weisst du das?“

„Ich habe es gewagt, andere Sachen zu lesen, die nicht Christen geschrieben haben. Worte von Menschen, die ebenfalls meinen, Gott erfasst zu haben. Sie haben genau dasselbe versucht: dieses unfassbare, unendliche, umfassende Wesen irgendwie in Worte und Geschichten runterzubrechen.
Es passiert ja nicht auf dieser Ebene, und es ist nicht der Verstand, der eine Erkenntnis hat oder eine Gottesbegegnung erlebt. Es ist der Geist. Aber der Geist hat keine Sprache.
Wenn Sprache das Medium ist, mit dem wir Gott erfassen, dann ist es immer nur eine Übersetzung. Und bei Übersetzungen passieren Fehler. Sie sind ungenauer, als der Originaltext.“

„Du hast dich also mit anderen Religionen befasst?“

„Ein bisschen. Aber nicht nur: Ich habe auch Menschen zugehört, die in der christlichen Kultur grossgeworden sind, aber den christlichen Glauben nicht teilen oder ihn nur als Kulturgut betrachten.“

„Früher hast du doch immer ‚christliche Bücher‘ verschlungen, also welche aus dem freikirklichen Sektor, und dann behauptet, Gott hätte dich geführt, das Buch zu lesen. War das nicht so“

„Ja. Und es ist immer noch so. Ich fühle mich genau gleich geführt, ob das Buch ‚christlich‘ ist, oder nicht, spielt keine Rolle.“

„Und in diesen anderen Büchern hast du jetzt also Gott gefunden?“ Mit einem zwischen Hoffnung und Skepsis schwankenden Blick hob er den Kopf.

„Nein. Ich versuche ihn zu lesen“, antwortete sie. Wenn meine Theorie stimmt, kann man die Gemeinsamkeiten dieser Aussagen zusammenfassen und dann müsste das ein vollständigeres Bild von Gott geben, falls es sowas überhaupt gibt. Manchmal weiss ich durch die Aussage eines Nichtchristen, der über Spiritualität redet, plötzlich, wie eine Geschichte in der Bibel gemeint ist.
Vielleicht haben wir mit der Bibel einfach die deutlichsten Aussagen über Gott und dieses Bild hat ein paar Schattierungen mehr, aber in den anderen Religionen und Überzeugungen findet man ihn ebenso.“

Jetzt war ihr Gespräch ganz woanders gelandet. Eigentlich hätte sie ihn darauf hinweisen wollen, dass er in einer schweren Depression steckte und ihn bitten, dringend etwas dagegen zu unternehmen, bevor es zu spät wäre. Was, wenn ihm das niemand sagen würde? Und was, wenn er nichts damit anfangen könnte, es abstreiten würde?
Andere Menschen können den Stein nicht von deinem Herzen wegnehmen, das wusste sie aus eigener Erfahrung. Du selbst kannst es auch nicht. Aber du kannst hinsehen, das beim Namen nennen, es zugeben. Du kannst in Gedanken dein Herz in beide Hände nehmen und es diesem unbekannten Wesen Gott hinhalten: „Schau, so sieht’s aus und ich kann es nicht ändern.“ Du musst nicht mal darum bitten, dass er es ändern möge. Du musst es nicht mal ändern wollen. Es ist nur dieser winzige Schritt, immer und immer wieder. Hundertmal am Tag, manchmal.

nicht mehr wie zuvor

Das Leben ist weitergegangen. Ich bin versucht, dieses Blog als Brief an dich weiterzuführen. Vermutlich verlöre ich dann mit der Zeit meine Leser, von denen es kontinuierlich, aber sehr langsam, immer mehr gibt. Erklären kann ich mir das nicht. Meine Schreibfrequenz hat doch sehr abgenommen. Aus Gründen.

Trotzdem ist alles, was ich schreiben will, alles, was mir als Satz fixfertig durch den Kopf geht, hinausdrängt, geschrieben zu werden, eigentlich ein Brief an dich. Einer, den du nie lesen wirst. Oder vielleicht doch?

Das Leben ist also weitergegangen. Aber es ist nicht mehr wie zuvor. Ich habe Angst vor dem Sterben. Das erstaunt mich und ist mir völlig neu. Es ist nicht eine Angst davor, was danach kommen könnte und auch nicht eine vor dem körperlichen Schmerz, den Sterben unweigerlich mit sich bringt. Schmerzen aushalten kann ich gut.
Es ist die Angst vor dem Abschied nehmen. Ich sehe den Mann an meiner Seite und weiss, eines Tages werden wir einander loslassen müssen. Entweder weil er geht oder weil ich gehe. Weiter darf ich nicht denken. Ich lasse es nicht an mich heran.

Es ist genug, dass du nicht mehr da bist. Es ist genug, dass niemand da ist, dem ich die Dinge anvertrauen könnte, die ich dir anvertraut habe. Ich habe keine beste Freundin mehr und die anderen, die noch um mich sind, kann ich nicht Freundin nennen. Da und dort kann ich etwas teilen mit jemandem von ihnen. Aber nicht, wie ich mit dir geteilt habe.

Du hast doch deinen Mann, höre ich dich sagen. Ja. Das stimmt. Aber ich brauche frische Gedanken von aussen. Manchmal sind wir uns zu nah, um einander helfen zu können.

Gestern habe ich mit einer jungen Frau geredet, mit ihr einen Teil meiner Trauer geteilt. Sie hat mir gute, neue Gedanken gegeben und ein paar meiner grossen Fragen leiser gemacht. Aber sie hat auch Scheu vor dem weiteren Erzählen geweckt. Ich halte den Ballon unter Wasser und habe nicht den Mut, ihn an die Oberfläche steigen zu lassen. Was würde mich erwarten? Und mit wem würde ich dann teilen können? Die meisten haben schon ihr Leben. Was will diese junge Frau eine Freundschaft mit mir pflegen? Sie hat ihre eigene Welt.

Es ist ein Tabuthema. Niemand will über Suizid reden. Es gibt nur vereinzelt Reaktionen, die mir weiterhelfen. Die meisten schütteln den Kopf und sagen Dinge wie, dass es furchtbar schlimm sei, unbegreifbar, eine Flucht, ein billiger Ausweg, oder was weiss ich. Sie haben keine Ahnung. Vorallem nicht, dass sie damit in meiner Wunde rumstochern.
Ich kann es zwar auch immer weniger verstehen, je weiter es weg ist, aber ich respektiere deine Entscheidung. Du hattest Gründe, extrem gute Gründe. Das muss so sein, denn du hast immer zuerst an alle anderen gedacht, bevor dann irgendwann du kamst. Mein Kopf versteht die Argumente, mein Herz möchte es tausendmal ungeschehen machen. Früher oder später hätten wir uns sowieso verabschieden müssen. Ja, klar, aber doch nicht jetzt schon. Etwas in mir akzeptiert es nicht.

Gibt es Dinge, die in meinem Herzen so sehr Spuren hinterlassen, dass das Leben nie mehr wie zuvor sein kann?
Ja, ich weiss, jeder Moment ist einzigartig und das Leben wird nie bleiben, wie es ist. Aber ich meine etwas anderes. Ich meine diese grundlegende Haltung der Hoffnung und der Freude. Eine Zuversicht, dass der Weg dort um die Biegung weitergeht. Ein sich Aufrichten und den neuen Tag Anpacken. Eine Art Naivität, dass die Dinge immer gut werden und einem Glaubenden alles möglich sei. Eine Neugierde, wie es wohl weitergeht. Ein Wissen, dass die Dinge so und so sind und manchmal auch überraschend anders, aber eben ein Wissen, eine Art Sicherheit.

Jetzt habe ich das Gefühl, dass ich nichts weiss. Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger Antworten habe ich auf das Leben und das, was geschehen ist. Ich habe keine Erklärungen mehr weil sie alle falsch sind. Ich weiss nicht, ob ein Weitergehen ein Weitergehen ist, weil ich nicht weiss, ob man das überhaupt so nennen kann. Der neue Tag kommt, vergeht wieder, ich lebe, arbeite, lache, weine.
Ich? Diese Person, die in meiner Körperhülle steckt. Wer auch immer das ist. Manchmal sehe ich mir zu und bin mir total fremd. Aber dieses andere, das zuschaut, ist mir auch fremd.

Du weisst jetzt mehr. Ich nicht.
Vor zwei Tagen habe ich von dir geträumt. Du hast mir etwas gesagt, aber schon am Morgen konnte ich mich nicht einmal mehr an das Thema erinnern.
Fragen und Antworten ziehen aussen vorbei und gehören mir nicht.

Was ich hier schreibe, ist Fragment. Immer. Diesmal sehr chaotisch hingeworfen. Wenn du es nicht liest, dann hoffe ich, dass jemand sich darin findet und weiss, es gibt noch mehr Ver-rückte. Auseinander-gerückte.

Ich muss möchte mich wieder zurecht rücken. Irgendwie. Aber ich weiss nicht, wie. Meine Gedanken sind am Ende angekommen und mein Herz weiss nicht mehr, wie es trauern soll.

Die meiste Zeit wird man mir nicht anmerken, dass meine Welt so ins Wanken gekommen ist. Ich lebe weiter und es ist ein gutes Leben, ein schönes, sogar. Ich habe angefangen, Saxophon zu lernen und es ist wunderbar! Du müsstest meine Augen leuchten sehen, wenn wir Anfänger mit der grossen Musikgesellschaft mitspielen dürfen! Ich bin vollkommen begeistert und in Flammen!
Ich arbeite mit Freude im Garten. Ich unterrichte immer noch sehr gerne. Mein Kollegium ist wunderbar. Ich lerne Menschen kennen und spüre, wie ich sofort angenommen und wertgeschätzt werde. Ich geniesse meine vielen Talente und setze sie mit Hingabe ein. Ich geniesse mein Leben, empfinde Freude, Liebe, Begeisterung, manchmal Frust, Traurigkeit, Wut, die ganze Palette, wie es halt so ist.

Aber wenn man etwas tiefer schaut, ist es anders geworden. Grauer, undurchsichtiger Nebel, kaum wahrgenommen liegt da.
Und darunter? Was ist darunter? Weisst du es?

Ist da noch ein Boden, der trägt?

Ich spüre ihn nicht. Ich tue nur so, als ob er noch da wäre.

nicht fliehen

Jesus lebt in Fülle, in Stille, in Gebet, in Hingabe, in absoluter Bedingungslosigkeit und in absolutem Dasein, er weicht nicht zurück.

Pyar Troll-Rauch

Wenn es mir gelingt, in dieser Stille und Bedingungslosigkeit zu sein, dann kann ich in allem eine wunderbare Ordnung und Schönheit ahnen.
Dann verliert die Schwere ihr Bedrückendes, und die Ausgelassenheit hebt nicht vom Boden ab.
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Mit meinem Nicht-einverstanden-Sein mit dem, was ist, meinen Bedingungen, wie es sein müsste, bevor ich gehe und handle und lebe, verliere ich Stille und Bedingungslosigkeit.
Verliere ich den Weg im dichten Nebel.
Verliere ich Frieden.
Klarheit des Handelns.
Sehe ich das Licht, das mich führt, nicht mehr.

Wahlfreiheiten

Erst einmal möchte ich euch herzlich für die Kommentare danken. Es tut gut, zu wissen, dass noch andere Menschen sich über Plastik Gedanken machen und Wege suchen, diesen zu vermeiden. Und es ist schön, auf diesem Weg wertvolle Ergänzungen zu erhalten.

Meine weiteren Erkundungen haben dies ergeben:

  • Der Käse aus dem Offenverkauf schmeckt um Welten besser, als der in Folie geschweisste aus dem Kühlregal, ist aber nicht um den gleichen Faktor teurer.
    Der Effekt des besseren Geschmacks: Ich esse weniger davon weil mein Gemüt und meine Geschmacksnerven schneller das bekommen, was sie eigentlich wollen. Eigentlich betrügen wir uns doppelt, wenn wir billige und billig produzierte Produkte kaufen.
  • Die beiden führenden Schweizer Supermärkte haben innerhalb der letzten beiden Jahre Joghurt, Sahne und Getränke in Glasverpackung aus dem Sortiment genommen. Es gibt ein einziges Mineralwasser in der Glasflasche. Der Rest ist in Plastik.
    Ausserdem gibt es nur noch Gemüse und Früchte im Offenverkauf ohne Plastik, vorausgesetzt, ich fülle es in mitgebrachte Beutel ab.
    Abgesehen von Konserven in Gläsern und Dosen ist an allen anderen Nahrungsmitteln in irgendeiner Form Plastik dran.
  • Die örtliche Molkerei nahm in den letzten Tagen Sahne im Glas ebenfalls aus dem Sortiment weil das nur noch ein Ladenhüter sei. Niemand bezahle die Mehrkosten. Niemand bringe die Gläser zurück.
    Sie bietet nur mehr Joghurt im 500g Glas an. Alle anderen Milchprodukte sind im (plastikbeschichteten) Karton bzw. Käsepapier oder in Plastik verpackt.

Soweit meine Wahlfreiheit.

Was für den Käse, gilt auch für Gemüse und Obst aus der Biokiste, die ich mir seit dem Sommer liefern lasse: Es ist ein klein wenig teurer, aber weniger, als gedacht, und Welten besser im Geschmack. Ausserdem kommt so mehr Frischkost auf den Tisch. Insgesamt esse ich aber weniger weil ich schneller das Gefühl habe, etwas wirklich Gutes gegessen zu haben. Ich esse auch mit mehr Genuss und daher vermutlich langsamer.
Über den Daumen gepeilt ist es vermutlich nicht wesentlich teurer, auf regionale Bioprodukte umzusteigen.

Apropos Biokiste: Ein paar Mal kam der Salat unverpackt, also nicht in der üblichen Plastiktüte. Er hielt bei weitem nicht so lange und war am nächsten Tag schon lahm. Inzwischen wird er wieder in der Tüte geliefert. Hat jemand von euch Alternativen für das Aufbewahren von Salat im Kühlschrank?

Es geht nicht ohne Kompromisse

Das wird schwierig, das mit plastikfrei.
Meine Recherchen ergaben folgendes: Im kleinen Milch-Quartierladen kann ich ausser Joghurt und Sahne nichts im Glas kaufen. Die offene Milch – ich habe nicht mehr nachgefragt, ob sie noch erhältlich ist – mögen meine Kids eh nicht. Der Käse wird zwar offen verkauft, ist aber samt und sonders in Frischhaltefolie gewickelt, bzw. damit abgedeckt. Also richtig plastikfreien Käse gibt es nicht. Die kleinen Produzenten dürfen nichts mit Glas in die Grossverteiler mehr liefern, meinte der Milchmann. Irgendwann hätten wir diese Rechnung zu bezahlen.
Butter ist in Kunststofffolie gepackt, oder nicht bio, ausser dem aus der sauteuren Pro Montagna Linie.
Die Molkerei im Nachbardorf wird nächste Woche unter die Lupe genommen. Falls ich dort nicht fündig werde, gibts für mich momentan fast keine plastikfrei erhältlichen Milchprodukte.
Plastikfreies Brot hab ich noch nicht gefunden, beim Grossverteiler zumindest nicht. Bloss Brötchen im Offenverkauf darf ich in selbst mitgebrachte Beutel packen. Vermutlich gilt das für die Theke vor dem Laden auch. Nachgefragt habe ich nicht. Als nächstes nehme ich mir die Bäckerei im Quartier vor.
Apropos Nachfragen: Das muss ich beim Lieblingsgrossverteiler doch noch. Wurst und Fleisch offen zu kaufen, wäre schon mal ein Fortschritt. Erschrocken hab ich festgestellt, dass ich nicht mal weiss, wo die nächste Metzgerei wäre.

Sicher ist, ohne Kompromisse geht es nicht. Warum verkauft denn niemand die Dinge in Bio-Qualität, schadstoffarm, zusatzstoffffrei, gescheit oder gar nicht verpackt und fair gehandelt?

Der Widerstand in meiner Familie ist auch nicht ohne. Figlia meinte: „Also wenn du jetzt alles selber machst, zieh ich aus.“ Fragen kommen: „Gehst du jetzt ernsthaft mit diesen Beuteln einkaufen?“ „Warum ist das jetzt plötzlich so ein Riesenthema! War doch vorher auch nicht wichtig, oder?“ „Oh, Achtung! Plastik!“ wird gewitzelt und die Augen werden verdreht, wenn ich irgendwas zum Thema sage.

Weitermachen, und zwar still und leise, ist die Devise. So schnell gebe ich nicht auf.

richtig und falsch

Je älter man wird, desto weniger genau weiß man, was richtig und falsch ist.

Junge Menschen mit feurigen Argumenten, flammenden Statements, total klaren Ansichten und einem radikalen Leben nach ihren Grundsätzen, wie haben sie mich beeindruckt und fasziniert. Ich wollte so sein, genau so. Und ich war es auch. Ich hatte zu allem eine Meinung und vom Rest eine Vorstellung. Das Leben musste so und so sein, nicht anders. Wenn es anders war, kämpfte ich. Und ich schwor mir, nie resigniert und abgelöscht rum zu laufen, wenn ich älter würde. Das Feuer wollte ich im Inneren behalten. Es muss eines Tages aus meinen Augen glitzern, wenn ich alt bin, dachte ich.

Noch bin ich nicht alt. Aber irgendwann zwischen dreissig und vierzig habe ich mich sehr verändert. Und das ist auch schon wieder eine Weile her. Ich bin gelassen geworden. Weitsichtiger. Toleranter. Grosszügiger. Weicher. Ich sehe die Dinge nicht mehr so klar weil ich einfach zu viel erlebt und gesehen habe, als dass ich ungefragt an meinen alten Glaubenssätzen festhalten könnte. Die meisten Menschen aus meinem Umfeld machen es anders und sehen dabei nicht unbedingt erlöst oder glücklich aus.

Ich weiss immer weniger genau, was richtig und falsch ist.
Wo hört Zivilcourage auf und wo fängt das Einmischen in die Privatsphäre des anderen an? Wann habe ich ein Recht, jemanden zu korrigieren? Habe ich das überhaupt ungefragt? Oder bin ich feige und blind für die Not des anderen? Muss ich die Überzeugungen der anderen teilen, wenn ich in einer Gemeinschaft mitarbeiten möchte? Hintergehe ich sie, wenn ich ihre Worte brauche, um Gott zu beschreiben, auch wenn ich selber ihn so nicht beschreiben würde weil er unbeschreibbar ist? Ist es ein Übergriff, wenn ich jemandem beherzt, aber ungefragt helfe? Darf ich immer meinem Herzen folgen? Wenn ja, wie finde ich heraus, ob es mein Herz ist, das da spricht? Ist das, was ich als falsch oder negativ bezeichne, falsch oder negativ? Oder einfach nur anders? Was ist Wahrheit? Und wer darf und kann sagen, was Wahrheit ist und was nicht?

Früher meinte ich, dass ich diese Fragen immer klarer beantwortet könne, je älter ich würde.
Es ist genau umgekehrt.

 

Sag Ja!

Ja zu allem, was dir begegnet und ja zu allem, was ist und zu dem, wie es ist.

„Ja, aber…“

„Nur Ja. Ohne Aber.“

„Das heisst doch, dass ich damit einverstanden bin und das bin ich nicht! Nicht mit allem.“

Ihr „Ja“ bedeutet, dass Sie die Tatsachen so akzeptieren, wie sie sind, dass Sie sich emotional nicht widersetzen, auch wenn Sie mit aller Kraft versuchen, sie zu ändern. Dies bringt gewöhnlich Frieden mit sich und wird Ihren Handlungen zu mehr Effektivität verhelfen.

Das ist ein Zitat aus einem sehr lesenswerten Artikel, auf den ich kürzlich gestossen bin. Er beinhaltet neben einer ausführlicheren Erklärung auch eine Anleitung, es ganz praktisch selber auszuprobieren. Mehr verrate ich nicht, denn der Artikel spricht für sich.

Bitte hier weiterlesen.

Selbst gemachtes Waschpulver: Erfahrungen

So, lange genug getestet, um euch ein paar Erfahrungen weiter zu geben.

Das selbstgemachte Waschpulver riecht nach der Seife, die man verwendet.

Zuerst habe ich diese Olivenölseife verwendet

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Ihr Geruch erinnert mich an heisse Eisenbahnschwellen. Nicht gerade das, was ich unter frischem Wäscheduft verstehe. Die Wäsche roch entsprechend. Also nicht frisch. Aber Augen zu und durch. Wegwerfen gilt nicht.
So viel ätherische Öle dazu  zu mischen, wie ich vermutete, dass sie den Geruch übertönen könnten, traute ich mich nicht. Das Pulver muss ja noch waschen.

Beim zweiten Mal wählte ich eine Olivenöl-Seife, die einfach nur nach Seife roch und raffelte 100g Rosmarin-Handseife dazu. Bei 1.5kg fertigem Waschpulver völlig ausreichend für einen frischen, sehr dezenten Waldduft. Mhhhh.

Weiche, frische Seife zerfällt beim Reiben nicht in Pulver.

…sondern ergibt kleine Kringel, was das Vermischen mit Soda und die nachherige Dosierung ein wenig schwieriger macht. Zweimal durch die Küchenmaschine lassen, hilft.

Zu bröckeliges Soda reibe ich gleich hinterher mit und zum Schluss mische ich alles mit der Küchenmaschine durch.

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Zusammenfassung

Die Kombination mit Zitronenweichspüler ist top. Ich muss nun nicht mehr weiter testen, sondern werde bloss noch ein wenig mit den verschiedenen Seifen herum experimentieren.

 

Waschpulver

Seife raspeln. Wägen.
Etwa gleich grossen Gewichtsanteil Waschsoda, oder Waschsoda und Backsoda je zur Hälfte gemischt, dazugeben. Dosierung: 2 gehäufte Esslöffel / 70ml pro Waschgang.

 

Weichspüler

In 0,75l Sirupflasche 2-3 EL Zitronensäure geben.
Mit Wasser auffüllen. Schütteln.
Dosierung: ca. 1dl pro Waschgang.

 

Beides passt für rund 15° französische = 8,4° deutsche Härte und eine 6kg-Maschine.

 

Viel Vergnügen und Freude beim selber Experimentieren.