Gestern habe ich einen kleinen Ausflug auf „meinen“ neuentdeckten Berg gemacht.
Neuschnee lag, weisse Weite in sanften Schwüngen. Schneidend kalter Wind sorgte für Menschenleere. Die Sonne strahlte vom blauen Himmel und glitzerte in tausend Kristallen.
Es war still. So still, dass jedes Geräusch einzeln an mein Ohr drang. Meine Schritte. Mein Atem. Das Bimmeln einer Kuhglocke von weit her. Stille füllte die Weite, die Luft und alles unter dem Himmel.
Ich atmete auf. In mir kam etwas zur Ruhe. Etwas lichtete sich. Bedrohliches verzog sich weit nach unten ins Tal, dort, wo das leise graue Rauschen herkam und mir sagte, dass es mich erwartet, wenn ich zurückkomme.
Heute Morgen weckte ich mich mit einem flotten Spaziergang durch den nahen Wald. Ich setzte mich kurz auf mein Bänkchen und sah in die Weite und in die Sonne. Jenes graue Rauschen der Stadt, das wie zäher Nebel in alle Ritzen und Knochen kriecht, füllte jeden Zwischenraum.
Zurück stapfte ich am Waldrand entlang durch die aufgeweichte Wiese, meinen Blick in der Weite am verschneiten, fernen Berg hängend, Verbindung suchend, Heimat suchend.
Ich erinnerte mich, dass ich manchmal als Kind extra an diesen Waldrand gekommen war, um diesen Berg zu sehen und Ruhe zu finden.
Mir war, als wäre er mein Verbündeter, damals und heute. Als ob unsichtbare Fäden mich verbänden mit ihm.
Ich sah mich, als kleines Menschlein über die Wiese und durch mein Leben stapfen, den Berg, der mir dabei zusieht und wusste doch, auch er ist nicht Heimat. Ich mache nur das Gefühl an ihm fest und an der Stille von gestern.
Beides verkörpert zutiefst das Lebensgefühl meiner glücklichsten fünf Kinderjahre, die ich in einem alten, abgelegenen Bauernhaus ohne Zentralheizung und Warmwasser verbrachte. Und es verbindet mich mit einem zweiten Ort, an dem ich als Erwachsene auf ähnliche Art Heimat fand.
Aber ich weiss, die Heimat, die ich suche, ist in mir. Sie ist immer da und verbirgt sich dennoch.
Die Sehnsucht nach ihr lässt mich suchen und manchmal finden. Sie schickt mich auf meinen Weg.
In meinem Inneren ist dieser Ort der Stille.
Manchmal geschieht das Wunder. Der Raum öffnet sich und in mir wird es mitten im grauen Lärm so still, wie es gestern auf dem Berg war. Keine Gedanken, die unablässig an meinem Ärmel zupfen und meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, etwas wollen und auf mich einstürmen. Nur Stille.
Der Unterschied ist so, wie der Grossstadtlärm gegen die Stille auf dem Berg.
Es wird hell und klar. Ich atme auf. In mir kommt etwas zur Ruhe und lichtet sich. Bedrohliches verzieht sich. Ich kann mich ausweiten. Etwas füllt mich auf. Die Quelle in mir.
Und dann nehme ich die Dinge einzeln wahr. Eines nach dem anderen und habe Zeit. Zeit, hinzusehen auf das, was ist. Zeit, es nicht verändern zu wollen. Zeit, es zuerst wahrzunehmen und ihm die Hand zu geben.
Die kleine, verborgene Tür zu diesem Raum finde ich leichter, wenn ich Orte der Stille be-suche.
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