Fasnächtliche Überraschung

Gestern, zu abendlicher Stunde, die Läden hatten noch offen, eilte ich nichts ahnend zu meiner Buchhandlung. Ich wollte mir, nach all dem Festtagsgeschlemme und dem fastnächtlichen Feiern ein Buch über das Fasten besorgen. Das Thema interessiert mich schon länger, gefastet habe ich noch nie.
Als ich nun, der, mit lärmenden, tanzenden, bunt verkleideten Menschenmassen angefüllten Marktgasse über Seitengässchen auswich und meinen Weg zur Buchhandlung suchte, bescherte mir das Schicksal eine Überraschung. Eine vogelschön gepfiffene, frühlingsleichte, frischfröhliche Melodie, untermalt von strengem Marschtrommeln drang an mein Ohr. Zuerst konnte ich es fast nicht glauben, meinte, mich verhört zu haben, aber als ich um die Ecke kam, sah ich, dass meine Ohren mich nicht getäuscht hatten. Vor mir stand eine kleine Truppe: der Vortrab, zwei Tambouren und vier Pfeifer. Ein klitzekleines bisschen Basler Fasnacht nur, und die Tambouren spielten nicht sehr gut. Aber das tat dem Vergnügen keinen Abbruch.
Meine emotionale Reaktion war von einer Art, die mich nicht weniger als die Truppe selbst überraschte. Sie hatte eine unbekannte Farbe und überrollte mich, beinhaltete Schattierungen, die ich ebenso wenig kannte, geschweige denn benennen könnte und war aus der Kategorie Erinnerungen an ein früheres Leben. Ganz wehrlos blieb ich stehen. Die Musik beschwörte etwas in mir. Was, das konnte ich nicht erkennen. Es blieb mir verschleiert, schemenhaft nahm ich es wahr, konnte es nicht fassen. Dazu wäre ein anderes Organ nötig gewesen, ein drittes Auge gewissermassen, das sieht, was Augen nicht sehen, und welches leider bei den meisten Menschen, so auch bei mir, sehr schwach ausgebildet ist.
Das Stück dauerte nicht sehr lange, es war lediglich der Schluss, den ich hörte. Mehr hätte ich auch nicht ertragen.
Die Musikanten nahmen ihre Larven ab und machten Pause. Und ich ging, mir das Buch vom Fasten zu kaufen.